Tagung zum Gesetz über Tötung im Straßenverkehr
- 27.11.2017
- Pressemitteilung
Erziehung, Bewusstseinsbildung sowie Strafen und Kontrollen notwendig
"Ich hatte fünf Gläser Wein getrunken und konnte nicht mehr reden, aber ich konnte noch gerade gehen und hatte das Gefühl, ich kann auch noch Autofahren", berichtete Verkehrspsychologe Max Dorfer über seinen eigenen Fahrversuch, den er unter der Kontrolle des österreichischen Kuratoriums für Verkehrssicherheit durchgeführt hat. Dabei zählte er den Kontrollverlust durch Alkoholkonsum neben dem zu schnellen Fahren als wichtigen strafverschärfenden Umstand auf, den das neue, am 24. März 2016 in Kraft getretene Gesetz über die Tötung im Straßenverkehr beinhaltet. Um dieses Gesetz im Speziellen und das Sichere Fahren im Allgemeinen sowie Alkohol am Steuer ging es bei der Tagung des Mobilitätsressorts des Landes am heutigen Montag (20. November) im Safety Park. Über 100 Teilnehmer nahmen an der Veranstaltung in Pfatten teil.
Zur Verringerung der Unfälle könne das "Erfahrungswissen" über die Wirkung von Alkohol, wie Dorfer es nannte, beitragen. Ebenso zu bedenken sei die Tatsache, dass Strafen nicht immer ausreichten: Die Rückfallquote bei Trunkenheit am Steuer sei laut Studien mit 30 Prozent sehr hoch, informierte der Psychologe. Die jungen Männer zwischen 20 und 29 Jahren seien in punkto Unfällen am stärksten gefährdet: "Gerade bei Jugendlichen gibt es einen Mix an Risikofaktoren, und zwar: sie sind Fahranfänger, ihr Hirn ist noch nicht ganz ausgereift, sie sind zu der Zeit, an der sie müde sind, zwischen 2 Uhr und 4 Uhr morgens, unterwegs und sie haben oft männliche Beifahrer im Auto." Was gut als Abschreckung funktioniere, seien angekündigte Alkoholkontrollen, meinte der Psychologe.
Auch die Gerichtsärztin Barbara Avesani bestätigte, dass die meisten Personen, die wegen Alkohol am Steuer auffallen, zwischen 20 und 29 Jahren alt sind. Die Führerscheinkommission verlange viele Kontrollen, was die Auffälligen betreffe, weil die Rückfallquote hoch sei, berichtete Avesani. Sie sagte zudem, dass die Abschreckung durch Strafen nicht immer ausreiche, so etwa seien die Meldungen von Trunkenheit am Steuer von 2015 auf 2016 aufgrund des neuen Gesetzes nicht zurückgegangen. "Wir brauchen einen multidisziplinären Zugang, um dieses Problem zu lösen", unterstrich Avesani.
Das Wichtigste sei, Verantwortung für sich und andere übernehmen, betonte Mobilitätslandesrat Florian Mussner. Mit Gesetzen und Strafen lasse sich einiges erreichen, aber auch andere Maßnahmen seien bedeutend, sagte Mussner und verwies auf die Sensibilisierungsarbeit des Landes der vergangenen Jahre und die beiden Kampagnen "SOS Zebra" für mehr Sicherheit auf dem Zebrastreifen und "No credit" für sicheres Motorradfahren. "Nur durch Teamarbeit werden wir die Sicherheit auf den Straßen weiter erhöhen", sagte Mussner und dankte den zahlreichen anwesenden Ordnungskräften für ihre Arbeit.
In Italien seien die Unfallopfer bei Autounfällen gleichgeblieben und die Zahl der bei Verkehrsunfällen gestorbenen Motorradfahrer und Fußgänger gesunken, berichtete Edda Ranalli von der Gemeindepolizei Bozen. Laut gesamtstaatlichem Statistikinstitut ISTAT gab es 2016 in Italien insgesamt 175.791 Verkehrsunfälle mit verletzten Personen sowie 3283 Todesopfer (Verstorbene innerhalb 30 Tagen) und 249.175 Verletzte bei Verkehrsunfällen.
In Südtirol wurden 2016 wurden laut Landesstatistikinstitut ASTAT 2293 Personen bei Straßenverkehrsunfällen verletzt (2015: 2086) und 38 getötet (2015: 36). 2016 hat es insgesamt 1752 Verkehrsunfälle gegeben (2015: 1644).
Was die Führerscheine anbelangt, so wurden laut Ranalli im Regierugnskommisariat in Bozen 2016 insgesamt elf Führerscheine nach Unfällen mit Personenschäden eingezogen und drei nach Unfällen mit Todesopfern; 2017 sind es bereits elf Führerscheinentzüge nach Unfällen mit Personenschäden und vier infolge von Unfällen mit Todesopfern.
Über die Tötung im Straßenverkehr und die schwere und sehr schwere Körperverletzung, die als Artikel 589bis im vergangenen Jahr 2016 neu ins die Strafgesetzordnung eingefügt wurde, erklärte Günter Morandell, Staatsanwalt am Landesgericht Bozen, sämtliche Details. Die Grundform, sagte Morandell, also eine Gefängnisstrafe von zwei bis sieben Jahren für Personen, die fahrlässig den Tod eines Menschen durch Verletzung der Straßenverkehrsordnung verursachen, sei gleichgeblieben. Es gebe allerdings eine ganze Reihe erschwerender Umstände, die das Strafausmaß weiter erhöhten.
Zusammenfassend gilt: Unfälle, bei denen die Straßenverkehrsordnung missachtet wird und bei denen es Tote oder bleibende Schäden an Personen gibt, werden seit vergangenem Jahr verschärft geahndet. So müssen Fahrzeuglenker mit hohen Strafen rechnen, die unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehen, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschreiten, bei roter Ampel über die Kreuzung fahren, gegen die Einbahn fahren, bei durchgehender Mittellinie oder vor einem Zebrastreifen überholen. Strafverschärfend wirken das Fahren ohne Führerschein/mit verfallenem Führerschein/mit eingezogenem Führerschein, ohne Versicherungsschutz und nach Fahrerflucht.
Bei Unfällen mit schweren und schwersten Personenschäden gilt das Strafrecht, eine alternative Geldstrafe ist nicht mehr möglich. Im Falle einer Verurteilung wegen "Tötung im Straßenverkehr" kann der Führerschein bis zu 30 Jahren eingezogen werden.
Siegfried Stöhr vom Fahrsicherheitszentrum Misano Adriatico beschrieb das neue Gesetz als streng und drakonisch. Es sei auf Betreiben der Bürger hin entstanden. Damit es effizient sei, müsse es den Bürgern erklärt und bekannt gemacht werden, gerade hier komme den Medien eine wichtige Rolle zu, sagte Stöhr. "Das Gesetz sollte vorbeugen, denn wenn jemand tot ist, ist es zu spät", meinte er.
Ein wichtiger Aspekt für sicheres Fahren sei auch das richtige Handeln in Gefahrensituationen, die im Safety Park geübt werden könne, sagte die Direktorin des Verkehrssicherheitszentrums Giovanna Valentini abschließend.